Der Zuchtstand

Der Zuchtstand unserer Imkerei bildet einen Betrieb für sich. Das System wurde in seinen Grundzügen von Br. ADAM übernommen:

Quergeteilte 10- Waben Dadantzargen ergeben 2 Abteile von je 10 Dadant – Halbrähmchen (205 x 285 mm). Jede Hälfte ist mittels herausnehmbarem Sperrholzschied in 2 weitere Abteile unterteilt. Jedes der 4 Völkchen fliegt in eine andere Himmelsrichtung aus. Diese Begattungsvölkchen sind das ganze Jahr über in Betrieb. Die im Laufe der Saison gezüchteten Jungweisel überwintern also in ihren Begattungskästchen.

Jahrelange Versuche zum Überwintern und Vorprüfen von Jungköniginnen auf großem Standmaß in geteilten Brutzargen brachten nicht die erwünschten Ergebnisse. Offensichtlich fühlen sich die kleinen Völkchen auf großen Waben, – besonders während der bei uns oft sehr langen Winterruhe in der Wintertraube, nicht wohl. Meines Erachtens fehlt es hier am notwendigen sozialen Kontakt der Bienen untereinander während der Winterruhe. Außerdem war bei uns die Zehrung stets sehr hoch. Die Überwinterung auf 5 Dadant Halbrähmchen (etwa 3,5 D.N.Waben) in den 4er – Einheiten hingegen ist problemlos. Während der Saison versorgen sich diese Einheiten selbst. Stellt sich im Juli eine Tracht ein, so kommt noch ein Teil des Winterfutters hinzu. Im August wird freilich hinzugefüttert, bis zu einem Endgewicht von etwa 16 Kg Gesamtfutter pro 4er Einheit.

Diese Vorprüfung einer Überzahl von Jungköniginnen unter identischen Bedingungen bringt den notwendigen Ausgleich in der Bewertung des Zuchtmaterials. Auf unserem Zuchtstand überwintern 60 Einheiten mit je 4 Jungköniginnen, also 240 Kleinvölkchen (Auswahl von über 400 im Laufe der Saison gezüchteten Jungköniginnen). Die Unterschiede in der Zehrung, der Vitalität, und der Entwicklungskraft zeigen sich im Frühjahr schnell und zuverlässig. Ebenso später im Brutbild sowie der Sanftmut der Bienen. Die Königinnen müssen also in ganz wesentlichen Eigenschaften zuerst zeigen was in ihnen steckt bevor sie in Ertragsvölker eingeweiselt werden.

Eine erste Beurteilung der überwinterten Jungköniginnen erfolgt nach dem Bruteinschlag im zeitigen Frühjahr. Die besten 150 (von 240 Überwinterten) werden im Zuge der allgemeinen Königinnenerneuerung im März/April in die Ertragsvölker eingeweiselt. Hier erfolgt dann wie erwähnt die Endauswertung.

Nach der Umweiselung sind die Mehrzahl der 4er Einheiten zumeist nur noch beweiselt mit 2 Altköniginnen. Das Schiedbrett wird durch ein Absperrgitter ersetzt um die Brut auf 5 Waben zu beschränken. Dennoch erstarken sie derart explosiv, daß sich eine laufende Schröpfung ab Anfang Mai als unerlässlich erweist. Diese gesamte Bienenmasse nutze ich zum Aufbau weiterer 160 Sommer – Begattungseinheiten sowie auch zur Vorbereitung der Pflegevölker.

Die Aufzucht und Verwertung der Königinnen

Die Aufzuchtbedingungen üben einen ganz entscheidenden Einfluss aus auf die körperliche Qualität der Königinnen. Körperliche Vollwertigkeit wiederum ist eine Grundvoraussetzung für die Entfaltung der möglichen genetischen Anlagen. In der Praxis wird oft nicht genügend Gewicht auf den Zustand der Pflegevölker gelegt. Unsere Aufzuchtmethode ergibt sich aus der gesamten Betriebsform heraus.

Die Vorbereitung der Pflegevölker beginnt bei uns 7 Tage vor Zuchtbeginn: Ein starkes Ertragsvolk mit einem oder zwei Honigräumen erhält auf diese, über Absperrgitter natürlich, einen weiteren Brutraum, gefüllt mit 20 Halbrähmchen Brut samt Bienen vom Zuchtstand. Die nun überstarken 4er Einheiten der Zuchtstation liefern reichlich Material. In diesem Zusatz- Brutraum beginnt die Brut zu schlüpfen. Und zwar so massiv, daß sich das gesamte so verstärkte Volk nun auf den Schwarmakt vorbereitet.

Ein Pflegevolk muß Königinnen pflegen wollen, nicht müssen! (Vermehrung aus dem Schwarmtrieb heraus)

7 Tage nach der Verstärkung werden im oberen (Verstärkungs-) Brutraum die Zellen ausgebrochen. Der untere Brutraum mit Königin erhält vormittags einen neuen Platz. Der obere weisellose Brutraum kommt an seine Stelle. Zusätzlich fegen wir die Bienen von 3 offenen Brutwaben aus dem verstellten Brutraum hinzu. Aktive Ammen sind dadurch reichlich da, neben schlüpfender Brut. Auch die Flugbienen kehren zur alten Flugstelle zurück.

Dieses weisellose Riesenpflegevolk erhält nach 2 Stunden die frisch belarvten Weiselnäpfchen. Bei günstigen Bedingungen, d.h. nicht zu starker Tracht gebe ich 36 Larven zur Pflege, ansonsten, wie auch spät im Jahr verringere ich die Zahl der Zellen auf 24. Die Annahme beträgt im Schnitt über 90% . Bei Trachtlosigkeit wird täglich mit 2 l Honiglösung gefüttert, 2 Teile Honig, 1 Teil Wasser. Vorteil dieser Aufzuchtmethode liegt darin, daß man unabhängig von Witterung und anderer äußerer Umstände zu ganz präzisen Terminen Königinnen höchster Qualität ziehen kann. Die Zahl der Königinnen interessiert weniger.

Am Abend des 6. Tages sind die Zellen gedeckelt. Sie kommen in den Brutschrank in “Sicherheit“, bis kurz vor dem Schlüpftermin (Verbauungsgefahr bei Tracht). Eine 2. Serie kann bei Bedarf erneut 6 Tage gepflegt werden, dann aber wird das Pflegevolk wieder vereinigt, die Verstärkungszarge bleibt bis zum Auslaufen der restlichen Brut. Die Trachtunterbrechung für dieses Volk ist kurz, in die Sommertracht kommt es verstärkt.

Vorbereitung des Zuchtstoffs

Sämtliche Zuchtmütter, die auserlesensten besamten Königinnen der Vorjahre befinden sich zur Zuchtzeit in Ablegern auf 8 bis 10 Dadanthalbrähmchen. Diese müssen sich zum Umlarvtermin in bestmöglichem Zustand befinden, auch sollte die Königin während dieser Zeit nicht zu viele Eier legen.

Eine Woche vor Zuchtbeginn füttere ich, falls nicht gerade Tracht herrscht, mit einer Honiglösung. Dies schränkt die Zahl der freien Zellen für die Eiablage der Königin ein, und erhöht gleichfalls die Pflegewilligkeit der Ammenbienen. Das Resultat sind optimal gepflegte Larven, welche regelrecht im Futtersaft schwimmen. Umgelarvt werden jüngste Maden in Kunststoffnäpfchen. Bestens bewährt hat sich das Stecksystem von Nicot aus Frankreich.

Verwertung der Zellen

Wenige Tage nach dem Umlarven beginnt die Vorbereitung der Begattungsableger. Auf der Zuchtstation sind die 4er Einheiten inzwischen zum Bersten voll mit Bienen und Brut. Die erstellten Ableger dürfen nicht zu stark, aber auch nicht zu schwach sein: – Drei Halbrähmchen gut besetzt mit Bienen, davon zwei mit Brut. Dazu kommt eine gute Futterwabe. Also vorerst nur 4 Waben. Auf diese Weise lassen sich ca.400 Begattungsvölkchen aus den überfüllten 4er Einheiten erstellen.

Nach dem Ausreißen der Nachschaffungszellen erfolgt die Neubeweiselung ausschließlich mit schlupfreifen Edelzellen. Wird eine wilde Nachschaffungszelle übersehen, so schlüpft aufgrund der zeitlichen Einteilung dennoch keine unerwünschte Königin im Ableger, sondern die zuerst schlüpfende ist stets die Zuchtzelle (doppelte Sicherheit).

Die Jungköniginnen schlüpfen nicht im Brutschrank, sondern unter natürlichen Verhältnissen bei Bienen und schlüpfender Brut. Die Prägungsphase nach der Geburt einer Königin übt offenbar einen mitentscheidenden Einfluß auf deren spätere Qualität aus (Erfahrung Dr. Bretschko). Auch Pfarrer GERSTUNG lehrte schon vor mehr als 70 Jahren:

“Jede Königin sollte im Paradies geboren sein“.

Die Paarungskontrolle

Kontrollierte Paarungen sind bei großer Bienendichte im freien Flug undenkbar. Auch innerhalb eines Reinzuchtgebietes kann man folglich nicht von kontrollierter Paarung sprechen. Als Züchter will man nicht bloß Reinbegattungen innerhalb des Zuchtstammes erzielen, sondern man strebt danach, den Zuchtstamm in sich zu verbessern. Also auserwählte Völker, auch als Drohnenspender.

Der Drohnenstand

Wir beschränken uns nicht auf die Auswahl eines bestimmten Vatervolkes, aus dem dann die benötigten Drohnenlieferanten erstellt werden, sondern wir wählen aus einer großen Serie Tochter- Königinnen die allerbesten Exemplare aus, gewöhnlich 6-8 Geschwisterköniginnen, welche allen Anforderungen während mindestens einer Saison gerecht wurden.

Diesen Völkern ist ein spezieller Stand reserviert. Dieser Stand muß isoliert sein, d.h. vor Verflug anderer Bienen und Drohnen geschützt sein. Durch Zeichnen etlicher Tausend Drohnen auf benachbarten Ständen läßt sich ein Stand auf Verflugsicherheit von außen leicht überprüfen. Nicht jede Lage eignet sich zu diesem Zweck. Die Hügellandschaft wie bei uns mag zum Erfolg beitragen.

Ich benötige unbedingt einen derartigen verflugsicheren Stand. Für eine kontinuierliche Züchtung mittels künstlicher Besamung ist es von größter Wichtigkeit, daß die verwendeten Drohnen ihre Vitalität und Flugtüchtigkeit vor deren Verwendung unter Beweis stellen. Die Ausschaltung genetisch minderwertiger Individuen ist in diesem Fall auf keinem anderen Weg durchführbar. Jedem erfahrenen Besamer von Bienenköniginnen ist der Schwund an freifliegenden Drohnen bekannt, er wird besonders sichtbar in den ersten Tagen nachdem zuvor eingesperrte Drohnen ergiebige Ausflugmöglichkeit erhalten.

Bei uns dürfen die auserwählten Drohnenvölker auf der Hälfte einer Dadantwabe nach Belieben Drohnen ziehen. Die so erzielte Überzahl an geschlechtsreifen Drohnen verleitet die Drohnenvölker dazu viel eher überzählige Drohnen abzugeben als gar fremden Drohnen überhaupt Einlass zu gewähren. Die Drohnen dieser Völker werden für die Besamung gemischt.

Die Besamung

Zwischen 300 und 400 Königinnen werden alljährlich handbesamt. Der Erfolg bei instrumenteller Besamung wird ebenso beeinflusst vom Zustand der Begattungseinheiten wie vom Impuls der von der Königin selbst ausgeht, d.h. von deren momentanem Brunstzustand. Dieser stellt sich, wie ich in zahlreichen Versuchen immer wieder feststellen konnte, im Mai schneller ein als in der fortgeschrittenen Saison. Diesem Verhalten Rechnung tragend schiebe ich den Besamungstermin im Juli auf den 10. bis 12. Tag hinaus.

Ebenso entscheidend für den Beginn der Eiablage ist die Temperatur der Königin während der Besamung selbst sowie während der Vor- resp. Nachbegasung. Wer am frühen Morgen die zweite Co2 Behandlung durchführt, sollte sich die Mühe machen nicht nur die Königinnen vorher im Brutschrank bei 30°C aufzuwärmen, sondern genauso das flüssige Co2. Entsprechend meiner eigenen Erfahrung erhöht eine Unterkühlung der Königinnen (oft hervorgerufen durch das sich verflüchtigende Co2) in diesem Stadium zu einem hohen Prozentsatz die Melanose Infektionen. Wissenschaftliche Klärung wäre hier von Nöten.

Die Königinnen werden immer nur für kurze Zeit, und stets mit etlichen Begleitbienen, aus ihrer Einheit entfernt. Eine längere Käfighaft, oder gar eine Haltung im Brutschrank kommt nicht in Frage. Ich möchte hier nochmals betonen, daß die Handbesamung nur einen kurzen technischen Eingriff darstellen sollte, nämlich um, in Ermangelung einer sicheren Belegstelle, die unverzichtbare Paarungskontrolle zu ermöglichen.

Die weitere Pflege der Jungköniginnen

Bekanntlich wirkt sich die unumgängliche Co2 Narkose leicht lebensverkürzend aus. Ansonsten gibt es bei der hier aufgezeigten Handhabung der Königinnen qualitätsmäßig keinerlei Unterschiede zwischen freigepaarten und besamten Königinnen. Im Gegenteil, seit Jahren sind die Besamten unsere Zuverlässigsten und wir haben kaum noch Ertragsvölker mit standbegatteten Königinnen.

Ein Unterschied sollte allerdings speziell hervorgehoben werden: Offensichtlich reifen besamte Königinnen langsamer aus, stellt sich die endgültige Pheromonbildung später ein als bei ihren natürlich gepaarten Schwestern. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Schwierigkeit der Einweiselung von jungen besamten Königinnen in starke Ertragsvölker. Um Verluste zu vermeiden sollten besamte Königinnen mindestens 10 Wochen in Eiablage sein bevor sie in Ertragsvölker eingeweiselt werden. Die 4er Einheiten mit der beschriebenen Betriebsform kommen uns hier entgegen.

Die qualitätsbestimmende Entwicklung einer Königin ist mit der Ablage der ersten Eier nicht abgeschlossen. In der Folgezeit durchläuft sie eine sehr empfindliche Entwicklungsphase. So fand ich immer wieder bestätigt, daß Königinnen welche über längere Zeit in Kirchhainer Begattungskästchen verweilen mussten, später, und auch im Folgejahr, nicht die Vitalität und Fruchtbarkeit erreichten wie Königinnen der gleichen Serie in Ablegern unter normaler Entwicklungsmöglichkeit. Das gleiche trifft zu für Jungköniginnen die kurz nach Beginn der Eiablage in starke Ertragsvölker eingeweiselt werden. Ganz zu schweigen von der Schwierigkeit der Annahme in diesem Stadium ihrer Entwicklung. Offensichtlich sind frisch begattete, besonders aber frisch besamte Königinnen den Anforderungen in großen Ertragsvölkern vorerst nicht gewachsen, sie verbrauchen sich vorzeitig.

Jedem praktizierenden Imker ist auch bekannt, daß Jungvölker, welche sich harmonisch mit der Jahreszeit aufbauen – bis hin zum Einwinterungsvolk – nicht nur hervorragend überwintern, sondern sich auch im kommenden Frühjahr und Sommer als problemlos erweisen. Die frühere Heideimkerei sowie die heutige “Schwarzwaldbetriebsweise“ nach Pfefferle sind gewiss gute Beispiele für eine optimale Pflege der Jungköniginnen im Geburtsjahr. Nach Beginn der Eiablage erhält bei uns jedes Völkchen eine Mittelwand als 5. Wabe. Genügend Raum und Entwicklungsmöglichkeit für den Verbleib der Jungköniginnen bis zum kommenden Frühjahr sind somit gegeben.

zuchtbetrieb-chart

Die Zuchtstation liefert für die Ertragsvölker die notwendigen vorgeprüften Jungköniginnen zu deren Verjüngung. Hier erfolgt dann die Endauswertung des Materials. Die aus- erlesensten älteren Königinnen aus den Ertragsvölkern kommen zurück zur Zuchtstation und dienen als Zuchtmütter für die Erstellung der neuen Generationen. Auf gleiche Weise erfolgt die Auslese der Drohnen spendenden Völker. Die Paarungs- Kontrolle ist in unseren Breiten nur möglich über instrumentelle Besamung.

März 1992/update 2014
Paul Jungels